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Bildwörter für die Massen: Keith Haring und sein Alphabet in der Albertina

Keith Haring wäre 2018 60 Jahre alt geworden. Seine Werke sind weltweit bekannt. Auf Kaffeetassen und T-Shirts leicht zu erkennen, erreichen sie über die Kommerzialisierung in Pop-Shops ein Millionenpublikum. Wer aber steckte hinter den kindlich anmutenden Zeichnungen? Worum ging es Keith Haring beim Zeichnen auf LKW-Planen oder Makulaturpapier? Und ist das überhaupt Kunst? Ein Strichmännchen kann schließlich jeder schnell hinkritzeln.

Keith Haring wurde 1958 in Pennsylvania, in der Gegend von Kutztown, geboren. Schon früh begann er zu zeichnen - inspiriert von Walt Disney und seinem Vater, selbst ein Amateur-Cartoonzeichner. In den späten 1970er Jahren zog er nach New York, studierte an der School of Visual Arts Semiotik und tauchte in die Grafitti-Szene ein. Er unterhielt Freundschaften mit Andy Warhol, Kenny Scharf  und Jean-Michel Basquiat und arbeitet mit Größen wie Madonna und Grace Jones zusammen. 

Seine Jugend war von Ereignisse geprägt wie dem Vietnamkrieg, die Ermordung von Martin Luther King und die Black-Power-Bewegung, der Mondlandung 1969  und das Desaster des Atomkraftwerkes Three Mile Island. Diese Themen zeigten sich auch schon früh in seinen Subway-Zeichnungen auf Makulaturpapier: Schnell hingekritzelt halfen sie ihm, seine Ausdrucksweise und Formensprache zu entwickeln. 

Zitat: “If I only made paintings in a gallery I would probably be frustrated.”
(http://www.haring.com/!/pop-shop, 21. März 2018)

 

Das Alphabet

Makulaturpapier wurde in Werbetafeln an öffentlichen Plätzen nur in den Zeiten verwendet, in denen ein Werbesujet hing. Es lag also in der Natur der Sache, dass diese Werke nie lange zu betrachten waren. Pop-Shops waren seine Antwort darauf: Sie warfen nie Gewinn ab, aber hier konnte er seine Botschaften verbreiten. Jeder, vom Bronx-Bewohner bis zum Wall-Street Broker, war hier willkommen. Und weil er möglichst viele Menschen mit seiner Kunst erreichen wollte, entwickelte er eine Bildsprache, die jeder versteht und universell gültig ist. Die ersten Elemente davon sind schon seit 1979 in seinem Werk zu erkennen. Globales Verständnis kann nicht abstrakt sein, es muss figurativ sein und Bildwörter verwenden. Diese kennen wir nur allzu gut: Emojis! Keith Haring schuf damit einen Vorläufer der Emoji-Kultur. 

Das 15 Meter lange Werk benötigt viel Raum im Museum, um entsprechend zur Geltung zu kommen. Keith Haring Foundation, "The Matrix", 1983

So gesehen hätte Keith Haring Social Media sicherlich intensivst genutzt! Damit hätte er seine Botschaften wunderbar einfach an die Frau/den Mann bringen können.

Interessanterweise zeigt sich inzwischen, dass selbst einfache Emojis wie der Smiley auch nicht immer eindeutig ist und im Kontext zu interpretieren ist. Betrachtet man den Smiley von Keith Haring, sieht man sofort, dass hier die ursprüngliche Bedeutung völlig umgedeutet wird: bleckende Zähne, wahnwitzige Augen machen eine einfache Deutung unmöglich.

Grundfiguren wie der Hund sind grundsätzlich bedeutungsfrei - so wie es auch einzelne Buchstaben sind. Der Hund hat zwar das Maul aufgerissen, deuten kann man dies aber als Bellen, als Angriff (zum Beispiel auf Spraydosen) oder als empfundene Freude beim Tanzen.

Sein Werk dreht sich um Themen, die leider heute noch immer Herausforderungen darstellen. Er hat sich gegen Rassismus und Apartheid gewendet, gegen Umweltverschmutzung, gegen die nukleare Bedrohung (also die militärische und zivile Nutzung), für die Individualität jedes Einzelnen, gegen AIDS/Drogen, weil er auch selbst HIV infiziert war. Seine Diagnose kam erst im Jahr 1988 - also relativ spät. Einige seiner Freunde waren zu diesem Zeitpunkt schon tot,. Er selbst hat aber so gelebt, als ob er infiziert sein könnte.

Die Ausstellung in der Albertina

Keith Haring war ein genialer Zeichner, der sich mit seiner Zeit und Herausforderungen der Gesellschaft beschäftigt. Die Albertina zeigt noch bis 24. Juni 2018 einen Überblick über sein umfassendes Werk und fokussiert dabei auf die Entwicklung des Alphabets. Vordergründig einfache, fast kindlich wirkende Zeichnungen zeigen bei näherer Betrachtung viele Themen von gesellschaftlicher Relevanz. 

Keith Haring. The Alphabet exhibition at Albertina

Keith Haring. The Alphabet exhibition at Albertina

Keith Haring. The Alphabet exhibition at Albertina

Keith Haring. The Alphabet exhibition at Albertina